Am 20. Juli 1970 beging der Gesangverein Kaierde sein 111-jähriges Gründungsjubiläum. Zum Kommersabend mussten die örtlichen Vereine infolge eines Missverständnisses ohne einen Ton Musik abgeholt werden. Dieser Vorfall verstärkte die Erkenntnis, dass in einem Dorf wie Kaierde, mit einer bekannt, guten musikalischen Vergangenheit, ohne einen Musikverein nicht gut dasteht. Was konnte man also tun?

In den fünfziger Jahren hatte ein Mandolinenclub aufgehört zu existieren, und ein sehr beliebter Spielmannszug, der weit über die Grenzen des Ortes hinaus bekannt war, brach infolge von Vereinsunstimmigkeiten auseinander. Es stand also fest, dass man mit einem neuen Verein

nicht an diese Musikrichtung anknüpfen konnte, ohne ständig mit dem einmal Gewesenen verglichen zu werden. In diesem Moment kam der Zufall zur Hilfe.

Am Katerfrühstückstag des o.g. Sängerfestes hatten einige Mitglieder des ansässigen Sportvereins ein paar alte Signalhörner mitgebracht. Die langjährig aktiven Vereinskameraden Ernst Brodthage, Walter Bosse, Burkhard Brünig und August Wolff liehen sich die Instrumente aus und, begünstigt durch ihre Verbundenheit zur Natur und zum Waidwerk, gelang es ihnen bald, einige Jagdsignale zu blasen. Somit entstand die Idee, einen Jagdhornbläserverein zu gründen. Aber woher einen musikalischen Leiter und das nötige Startkapital nehmen?

Nach einigen Gesprächen konnte der damals musikalisch erfolgreichste Kaierder, Heinz Leistikow, als Dirigent gewonnen werden. Jagdhörner wurden aus eigener Tasche finanziert, so dass auch das Problem des Startkapitals gelöst war. Nachdem sich noch Gastwirt Gustav Weyberg bereit erklärt hatte, einen Übungsraum zur Verfügung zu stellen, stand einer Vereinsgründung endgültig nicht mehr im Wege. Es wurde kräftig die Werbetrommel gerührt, um Interessenten für das Unternehmen zu gewinnen, auch Jungendliche waren willkommen, und so konnte man beim ersten Zusammentreffen am 21. Oktober 1970 achtzehn Personen begrüßen.

Auf Wunsch von Heinz Leistikow wurde mit einer mehrwöchigen theoretischen Ausbildung begonnen. Während dieser Zeit wurden auch die benötigten Jagdhörner angeschafft. So begann im Dezember des gleichen Jahres die praktische Arbeit unter Leitung von Walter Bosse. Geübt wurden Ansatz und bläserisches Atmen. Heinz Leistikow entwickelte die Übungen weiter, so dass am 24. Februar des darauffolgenden Jahres beim Delligser Reiterball der erste öffentliche Auftritt mit dem Jagdsignal „Horrido“ absolviert werden konnte.

1972 fand zusammen mit dem Akkordeonorchester und dem Gesangverein erstmalig die Kaierder Konzertreihe „Von Melodie zu Melodie“ statt, die künftig alle zwei Jahre ihren festen Platz im Terminkalender des Ortes besitzen sollte.

Im gleichen Jahr begann man damit, das vorhandene Instrumentarium zu erweitern, um mehr Abwechselung in das musikalische Repertoire zu bringen. Es wurden Fürst-Pless-Hörner mit Ventilen, Tenorhörner und Posaunen beschafft. Später folgten noch Schlagzeug, E-Bass, Gitarre, Keyboard und Kesselpauken. So entstand langsam ein unverwechselbarer, weicher Sound, der das Orchester bis heute so beliebt gemacht hat.

Die Kapelle brachte es neben Auftritten in der näheren Umgebung u.a. zu Konzerten auf Fremdenverkehrsmessen in Hamburg, der Bundesgartenschau in Bonn, einem Weihnachtskonzert in Essen, Kurkonzerten in Mittenwald, Malente, Berchtesgaden sowie weiteren Arrangements in Bad Zwischenahn, Weiler/Allgäu, Hannover oder Berlin. An dieser Stelle muss der Landkreis Holzminden erwähnt werden, der diese Unternehmungen vielfach unterstützte.

Dank der guten sängerischen Qualitäten einiger Mitglieder blieb es nicht aus, dass auch zeitweise eine Gesangsgruppe ins Leben gerufen wurde. Sie stellte stets eine Bereicherung der öffentlichen Auftritte dar.

Walter Bosse gab nach 15-jähriger Vereinsführung 1985 das Amt des 1. Vorsitzenden in die Hände von Jürgen Möhle, der die Vereinsgeschicke die nächsten zehn Jahre leitete. Während dieser Amtszeit übergab auch Heinz Leistikow sein erfolgreiches Dirigentenamt anlässlich eines Herbstkonzertes 1992 nach 22 Tätigkeitsjahrenahren an seinen Nachfolger Uwe Keunecke weiter. Unter seiner Leitung erweiterte sich das musikalische Repertoire. So waren immer häufiger moderne Stücke aus der Popmusik oder Film- und Musicalmelodien zu hören. Uwe Keunecke forcierte auch die Nachwuchsausbildung, eine musikalische Weiterentwicklung unter ihm war unverkennbar.

Im Dezember 1993 schloss die Gaststätte des Vereinswirtes Gustav Weyberg ihre Pforten, so dass ein neues Vereinsdomizil gesucht werden musste. Der weitere Gastwirt des Dorfes, Hans Ackermann, erklärte sich sofort bereit, den Verein in seine Räume aufzunehmen.

Im Jahr 1995 wurde Roland Hesse zum neuen Vorsitzenden gewählt. Auf ihn sollten unruhige Zeiten zukommen, was zum Zeitpunkt seiner Wahl jedoch noch nicht absehbar war. Unstimmigkeiten zwischen Vorstand und Dirigenten führten dazu, dass Uwe Keunecke nach nur vierjähriger Arbeit im Sommer 1996 den Dirigentenstab abgab und den Verein verließ. In den Folgejahren wurde mit wechselnden musikalischen Leitern gearbeitet. Zunächst übernahm Dirk Germershausen diese Position, der schon als Vertreter unter Uwe Keunecke gearbeitet hatte. Ihm folgte nach wenigen Monaten Frank Dörries, der allerdings, krankheitsbedingt dieses Amt 1998 niederlegen musste. Dankenswerter Weise erklärte sich Heinz Leistikow bereit, das Orchester nochmals für einen überschaubaren Zeitraum zu leiten. Frank Kramer, der bereits 1997 eine Dirigentenausbildung begonnen hatte, konnte schließlich im Jahr 2000 die Nachfolge antreten.

Am 27. und 28. Mai 2000 wurde das 30-jährige Gründungsjubiläum mit einem rauschenden Zeltfest mit Dorfbewohnern und Gästen in der Lührig’schen Festwiese begangen. Diese Veranstaltung wurde unter das Motto „Ein Wochenende im Allgäu“ gestellt, zu der zur musikalischen Umrahmung eigens die

Allgäuer Dorfmusikanten aus Weiler/Allgäu angereist waren. Dieses Fest sollte sich noch lange in der Erinnerung der Bevölkerung festsetzen.

Roland Hesse trat vom Amt des Vorsitzenden schließlich im Jahr 2003 zurück. Wieder übernahm Jürgen Möhle die Geschicke um die Vereinsführung. In Absprache mit Frank Kramer sollte Ausschau auf eine Neubesetzung des Dirigentenamtes gehalten werden.

Mit Natalia Bergmann konnte ab 1. Januar 2006 die erste professionell ausgebildete Dirigentin verpflichtet werden, die seither in unnachahmlicher Manier und Einfühlsamkeit das Orchester in hohe Leistungsbereitschaft versetzen kann. Dieses zeigt die stets hohe Anerkenntnis des Musikorchesters in der Öffentlichkeit.

Nach insgesamt 30-jähriger Vorstandsarbeit übergab Jürgen Möhle 2012 das Amt des 1. Vorsitzenden an Holger Kettler und bedankte sich bei dem Verein für die gute langjährige Zusammenarbeit.